
Warum sollten "Bitte" und "Danke" nicht erzwungen werden?
25.01.2025
Das Kind soll Höflichkeit sein – aber wie?
Wir Erwachsenen wünschen uns oftmals, dass sich das Kind, welches uns gegenübersitzt, rücksichtsvoll und höflich benimmt. 😇Diesen Wunsch hegen sowohl Familienmenschen, als auch beispielsweise pädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit mit Kindern.
Die Wörter "Bitte" und "Danke" sind dabei erste soziale Umgangsformen, die wir Erwachsenen den Kindern nahelegen.
Aber wie wird das Kind denn nun höflich?
Wie sinnvoll ist es tatsächlich, diese Worte von den Kindern einzufordern und ist die Verwendung dieser Worte tatsächlich gleichbedeutend, mit guten Manieren und sozialem Verhalten?
Sollten wir "Bitte" und "Danke" einfach einfordern?
Gerne werden Sätze verwendet wie: "Was sagt man?" oder "Wie heißt das Zauberwort?" 🪄Tja, lass uns kurz nachdenken: "Abrakadabra? Sesam öffne Dich? Simsalabim?"🧙🏻♂️
Okay, Spaß beiseite und nun mal ehrlich: Woher soll ein Kind das sogenannte überaus ominöse Zauberwort kennen, wenn es dieses einfach noch nicht verinnerlicht hat?
Nur weil es das ein- oder zweimal gehört hat? Ein Kind hört jeden Tag tatsächlich eine große Menge an Wörtern.
Und genau damit fängt es an. Denn mal ehrlich: Merkst Du Dir beispielsweise jedes Wort von einer neuen Sprache direkt, nur weil Du es ein- oder zweimal gehört hast? Also ich ehrlicherweise nicht. 🤷🏻♀️
Doch nicht nur die eventuelle Nichtkenntnis des Wortes ist eine Schwierigkeit, wenn wir "Bitte" und "Danke" einfordern.
Stattdessen sind da zum Beispiel noch:
- Fehlendes Verständnis 🤯
Besonders jüngere Kinder müssen erst einmal verstehen, was die Worte "Bitte" und "Danke", oder auch Höflichkeit im Allgemeinen, bedeutet.
Doch wie können sie dies, wenn niemand ihnen die Bedeutung verdeutlicht?
Statt die Wörter wie Vokabeln abzufragen ist es bedeutsam, dass Kinder verstehen, warum Menschen höflich um etwas bitten oder sich bei anderen Menschen bedanken. - Wenig Aufrichtigkeit 🤡
Fordern wir das "Bitte" und "Danke" von Kindern ständig ein oder zwingen sie eventuell sogar dazu, diese Worte zu sagen, so werden die Kinder diese in den meisten Fällen auch irgendwann verwenden.
Doch wie viel ist ein "Bitte" und "Danke" wert, wenn das Kind dieses überhaupt nicht so meint?
Es wird zu einer Floskel, ohne Bedeutung und ohne Wert. Stattdessen werden diese Worte oftmals wie automatisch abgespielt, weil das Kind weiß, dass es von ihm erwartet wird.
Jedoch eben ohne, dass ein Gefühl von Wertschätzung und Höflichkeit dahintersteht.
Ein ausgesprochenes "Danke" bedeutet dabei noch lange nicht, dass auch wirklich Dankbarkeit dahintersteckt.
Ist es in diesem Fall nicht besser, wenn Kinder "Bitte" und "Danke" etwas weniger verwenden und dafür dann wirklich ernst meinen?
Ist es nicht nachhaltiger, wenn sie es aus Überzeugung sagen und nicht aus Zwang oder Gewohnheit? - Verdrängung 😶🌫️
Wird ein Kind dazu gezwungen beispielsweise immer "Bitte" und "Danke" zu sagen, verlieren die Worte nicht nur an Wert.
Im schlimmsten Fall kann es sogar dazu kommen, dass Kinder ihre eigenen Gefühle unterdrücken und lernen, sich zu verstellen.
Noch schlimmer kann dies natürlich ausfallen, wenn ein Kind für sein Nichtsagen bestraft wird.
Wie beispielsweise: "Wenn Du nicht bitte sagst, bekommst Du keinen Nachtisch!"
Wird das Kind beispielsweise gezwungen "Danke" zu sagen, obwohl es unzufrieden ist und sich eigentlich gar nicht bedanken möchte, so wird es in eine Rolle gedrängt in der es nicht sein möchte.
Es wird gezwungen ein Bild von sich nach Außen zu vermitteln, welches so nicht mit seinem Inneren übereinstimmt.
So wird zudem auch die Autonomie des Kindes untergraben. - Scham 😔
Eine besonders schlimme Situation ist gegeben, wenn das Kind vor anderen Menschen bloßgestellt wird.
Leider habe auch ich es schon miterlebt, dass das Kind vor anderen Menschen gefragt wurde: "Was sagt man?" und dieses Kind nur mit gesenktem Kopf dastand.
Manchmal wurde mir sogar berichtet, dass das Kind Minutenlang so dastehen musste und irgendwann weinend gegangen ist. "Dann lernt es daraus.", wurde mir gesagt.
Ja, es lernt sicherlich etwas daraus. Aber bitte was? 🤨
Jetzt mal ehrlich: Wie würde sich ein Erwachsener fühlen, wenn er beispielsweise von seinem Chef so vorgeführt wird?
Oder von der Schwiegermutter, bei der Familienfeier?
Eine überaus unangenehme Situation, und zwar am Ende für alle Beteiligten!
Höflichkeit aus Überzeugung
Ein Beispiel aus meiner pädagogischen Praxis (Namen selbstverständlich geändert):Elsa sitzt auf einem Kissen und spielt mit einer Puppe, wobei Max sie beobachtet.
Nach ein paar Minuten steht Max auf, geht zu Elsa und sagt: "Puppe!"
"Nein!", erwidert Elsa.
Max sieht Elsa einige Sekunden an und fügt schließlich ein "Bitte!" hinzu.
Elsa schüttelt den Kopf, woraufhin Max seine Augenbrauen zusammenzieht.
"Bitte!", wiederholt er und bekommt wieder ein "Nein!" von Elsa zu hören.
Max sieht zu mir und ich sage, dass Elsa die Puppe zuerst hatte und auch weiterhin mit ihr spielen dürfe, wenn sie es möchte.
"Aber ich hab‘ bitte gesagt.", sagt Max in meine Richtung.
Ich nicke: "Das stimmt. Und dennoch muss Elsa Dir die Puppe nicht geben, wenn sie es nicht möchte."
Max sieht mich leicht geschockt an: "Aber wenn ich bitte sage, bekomm‘ ich alles, was ich will. Das ist das Zauberwort, um alles zu bekommen. Dann wann ich es will."
👉🏻 Was zeigt uns nun dieses Beispiel?
Klar, Max hat das Wort "Bitte" aus einer Überzeugung heraus gesagt. Jedoch sicherlich nicht aus der Überzeugung heraus, die seine Eltern sich vorgestellt haben.
Wenn das Kind einfach nur das sagt von dem es denkt, dass dies von ihm erwartet wird oder meint, dass es damit nun eine bestimmte Reaktion hervorruft, kann das ein Problem werden.
Bitte versteh mich nicht falsch. Es ist nichts verkehrt an dieser Situation.❤️
Jedoch wurde mit Max, wie sich im Nachhinein herausstellte, noch nicht ausführlich genug darüber gesprochen, sondern das Wort einfach ohne Erklärung eingefordert.
Dabei hat Max die Bedeutung des Wortes einfach noch nicht verinnerlicht und kein Verständnis darüber erlangt, was hinter dem Wort stecken kann und was eben auch nicht.
Das heißt übrigens nicht, dass das schlimm wäre oder sich nicht noch ändern kann. Max stand einfach zu diesem Zeitpunkt an diesem Punkt seiner Entwicklung und das ist vollkommen in Ordnung. 😌
Doch wie können Erwachsene Kindern Höflichkeit nahebringen?
Zum Glück ist es gar nicht so kompliziert, Kindern Höflichkeit nahezubringen - versprochen. 💪🏻Meist funktioniert dies im Alltag sogar ganz nebenbei.
Einige Ideen diesbezüglich, findest Du gleich hier:
- Vorleben 👁️🗨️
Kinder beobachten andere Menschen und ihr Handeln oftmals sehr genau. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie auch das Gesprochene sehr genau wahrnehmen.
Die meisten Kinder lernen durch diese Beobachtung sehr viel und spielen es anschließend, in ihrem Kopf oder auch durch tatsächliche Handlungen, nach.
Wenn wir Erwachsenen höflich miteinander umgehen und beispielsweise "Bitte" und "Danke" verwenden, wird das Kind dieses Verhalten in den meisten Fällen ganz nebenbei übernehmen.
Zudem kommt hier noch hinzu:
Wenn ich selber zu meinem Kind nie "Bitte" und "Danke" sage, wieso sollte mein Kind diese Worte dann plötzlich einfach so verwenden?
Selbstverständlich kann der Erwachsene sich auch im Namen des Kindes bedanken.
Wenn ich mit meinen Nichten oder auch den Kindern, welche ich betreut habe, einkaufen gegangen bin und sie zum Beispiel an der Wursttheke eine Wurst geschenkt bekommen haben, habe ich mich dafür bedankt. Denn mit einem fremden Menschen zu sprechen und sich zu bedanken, ist oftmals noch viel schwieriger als bei einer Bezugsperson.
Du sagst nicht ständig "Bitte" und "Danke" und möchtest Deinem Kind trotzdem Höflichkeit nahebringen? Dann ließ auf jeden Fall noch den Artikel zu Ende. 😉 - Miteinander sprechen / Erklären 🗣️
Natürlich können Wörter wie Vokabeln auswendig gelernt werden. Doch auch wir Erwachsenen können uns Wörter doch viel besser merken, wenn wir etwas damit verbinden.
Nun ist es leider so, dass "Bitte" und "Danke" eher abstrakt sind. Anders als das Wort "Ball" oder "Blume", können wir dem Kind kaum visuelle Unterstützung bieten.
Aus diesem Grund ist es noch bedeutsamer sich Zeit zu nehmen um dem Kind zu verdeutlichen, was diese Worte bedeuten. Nur so können wir verhindern, dass es leere Floskeln werden.
Ist uns dies wichtig geht das Ganze oft schon nebenbei, indem wir zum Beispiel unser "Danke" erweitern. Schenkt uns jemand Wasser ein können wir sagen: "Danke, dass Du mir das Wasser eingeschenkt hast." Oder wenn uns jemand etwas schenkt: "Danke, dass Du an mich gedacht hast." mit der Erklärung an das Kind: "Ich habe mich gefreut, daher habe ich mich bedankt.".
So kommt man oftmals recht einfach ins Gespräch darüber.
Natürlich sind das nur Beispiele und nichts, was ständig so umgesetzt werden muss.
Oftmals reicht auch ein einfaches und nettes "Danke", wenn es einem selbst wichtig ist.
Dazu kommt, dass das eigene "Danke" oder "Bitte" nicht übertrieben laut oder anders gesagt werden sollte, als man sonst so spricht.
Kein Mensch sollte dem Kind, welches ihm gegenübersteht, etwas vormachen und am Ende selbst nur leere Floskeln verteilen.
Weitere schöne Möglichkeiten den Kindern dieses Thema näher zu bringen, sind beispielsweise Rollenspiele oder auch Bücher mit dem Thema. Letzteres ermöglicht es auch, das Ganze etwas visuell zu untermalen. - Positiv Verstärken 👍🏼
Statt dem Kind vorzuhalten, dass es wieder einmal nicht "Bitte" und "Danke" gesagt hat, sich also auf sein vermeintliches Fehlverhalten zu fokussieren, ist es hilfreicher positiv auf sein Verhalten zu reagieren.
Sagt ein Kind von sich aus "Bitte" oder "Danke", können wir beispielsweise ein freundliches "Gern geschehen" oder auch nur ein Lächeln erwidern.
Das Kind wird für sich viel mehr aus dieser Situation mitnehmen können, als wenn es für ein vermeintliches Fehlverhalten getadelt wird. - Geduld haben 🧘🏻
Wie ich immer so schön sage: Jedes Kind ist individuell und entwickelt sich in seinem eigenen Tempo.
Aus diesem Grund sollten wir Erwachsenen geduldig sein und bitte nicht zu viel auf einmal erwarten. Einige Kinder brauchen einfach etwas mehr Zeit, um die Gefühle oder auch Werte, welche mit Höflichkeit einhergehen, zu verinnerlichen und das ist absolut in Ordnung!
Höflichkeit ist mehr als "Bitte" und "Danke"
In meiner pädagogischen Praxis merkte ich bei einer Mutter an, dass ihr Kind seit Neustem sehr viel "Bitte" und "Danke" verwendet und sich immer sehr freut, wenn man selbst diese Worte auch in seiner Gegenwart benutzt.Sie lachte daraufhin und sagte, dass ihr Kind das von uns haben muss. Sie selbst würden zuhause niemals "Bitte" und "Danke" sagen und sie hätte schon ein schlechtes Gewissen gehabt, dass sie ihrem Kind das nicht beibringt. Sie hatte schon den Gedanken, deswegen eine Rabenmutter zu sein.😱
"Aber super, dass ihr das macht", sagte sie lachend.
Nach einigen Wochen kam sie noch einmal zu mir und erzählte das sie inzwischen selbst plötzlich die Worte "Bitte" und "Danke" nutzt.
Was ich damit sagen will?
- Auch wir Erwachsenen, können viel von den Kindern lernen.👍🏼
- Du musst Dich selbst nicht stressen! 💪🏼
Und Du bist keine Rabenmutter, kein Rabenvater oder was auch immer, wenn Du "Bitte" und "Danke" nicht ständig vorlebst. ❤️
Oftmals wird sich darauf versteift, dass das Kind "Bitte" und "Danke" sagen soll.
Es ist wichtig, dass das Kind höflich ist - was ja auch grundsätzlich absolut nichts Verwerfliches ist!
Dabei wird jedoch zu oft vergessen, dass Höflichkeit nicht einfach nur das Verwenden der Worte "Bitte" und "Danke" ist.
Höflichkeit besteht aus mehr als einfachen Worten und vor allem aus mehr, als einfacher Konditionierung. Stattdessen bedeutet Höflichkeit auch, einen achtsamen und rücksichtsvollen Umgang miteinander zu haben und Respekt, Wertschätzung, vielleicht sogar Empathie, zu zeigen.🥰
Und genau das ist die Hauptaussage dieses Artikels.
Übrigens gilt dies nicht nur für Kinder, sondern auch für uns Erwachsene. 😉
Denn mal ehrlich:
Ist das am Ende nicht viel mehr wert, als einzig und allein die vielleicht sogar leeren Worte "Bitte" und "Danke" ? 🎉
Lass mich gerne mal in den Kommentaren wissen, welche Zauberwörter Du noch aus Deiner Kindheit kennst.😇
Wunderbar positive Grüße
Mira
Beratungs- und Begleitangebot von Wundertiv | Mira Dahm
Das Thema "Bitte" und "Danke" bzw. Höflichkeit im allgemeinen ist bei Euch immer wieder Thema?Oder wünschst Du Dir jemanden, der einfach mal mit Dir über die verschiedensten Themen spricht, von Außen auf Euer Familienleben schaut und Dir wertvolle Tipps mit pädagogischem Hintergrundwissen und entsprechender Erfahrung gibt?
In Deiner individuellen 1zu1-Beratung und Begleitung gehen wir individuell auf Deine Lebenslage und Deinen eigenen Weg ein. Klingt gut? Dann melde Dich gerne bei mir.🙋🏻♀️
Kommentare (0)